Ein Artikel zu den klischeehaften allseits beliebten Sprüchen vom "angloamerikanischen Westen" -
In den Strang passen auch Beiträge zur ALTEN BRD - zu "Westdeutschland" und "Westberlin"
Das Fundament der westlichen Werte ist die individuelle Freiheit und die Demokratie als Gesellschaftsform.
Die eigene Freiheit, die eine Grenze bei der Freiheit des Nächsten findet, Pluralismus, Dissenstoleranz- gewaltfreie, rechtliche und allgemein akzeptierte Spielregeln Im Ergebnis führt das zu geistiger, ökonomischer, sozialer und politischer Dynamik, wobei die Absicherung des Einzelnen dabei durch die Menschen- und Bürgerrechte geleistet wird.
Freiheit ist die Grundkategorie, auf die alle anderen Werte zurückgeführt werden können, die Regulierung aller Konflikte, die Selbstentfaltung des Einzelnen, die gerechte Aufteilung aller Ressourcen.
Im ökonomischen Bereich spiegelt sich diese Wertschätzung der Freiheit im Konzept der freien Marktwirtschaft wider, auf der politischen Ebene im Ideal der freien Wahl; Freizügigkeit, freie Berufswahl und Bildungsfreiheit zeigen, daß das Ideal auch in das Privatleben der Einzelnen hineinreicht.
Auch in Deutschland wurde Freiheit zur Grundkategorie.
Der als egoistisch empfundenen Freiheit des Westens wurde die Freiheit zur Mitarbeit am großen Ganzen gegenüber gestellt. Diese unterschiedliche Besetzung des gleichen Begriffs machte es möglich, daß zu fast allen amerikanisch- westlichen Idealen ein deutsches Gegenbild gezeichnet wurde. Negativ wurde vermerkt, daß die USA keine Gemeinschaft, sondern nur eine Gesellschaft seien, die keinen Staat besitze, die Siedler waren weitgehend auf sich selbst gestellt.
In Deutschland war dagegen der Staat Garant für Ordnung und Wohlfahrt.
Die Mitarbeit an einem Gemeinwesen war daher eine Ehre. Der amerikanische, auf dem Individuum beruhende Freiheitsbegriff, der die Gemeinschaftsbildung verhinderte, führte nach deutscher Auffassung zu Egoismus und Kapitalismus ohne Sinn für höhere Werte.
Doch nicht nur der Freiheitsbegriff verhinderte nach deutscher Überzeugung in den USA den Sinn für höhere Werte, sondern auch die Regierungsform der Demokratie. Die als pöbelhaft geltende Herrschaft der unwissenden und ungebildeten Masse konnte sich unmöglich für ein abstraktes Allgemeinwohl einsetzen, sondern nur Einzelinteressen verfolgen.
Dazu gehörte auch die Ablehnung des Ideals der Gleichheit:
In ihr wurde eine Nivellierung gesehen, die jede höhere Kultur unmöglich machen würde.
Positiv gegenübergestellt wurde diesen amerikanisch- westlichen Werten die Verantwortung für das Höhere, für Kunst und Kultur, die tiefsinnige Persönlichkeit des gebildeten, einsamen Denkers und die gewachsene organische Gemeinschaft.
Der Schutz des Einzelnen durch Bürger- und Menschenrechte war im Grunde nicht notwendig, wenn jeder sich für das Ganze verantwortlich fühlte.
In bester Tradition des deutschen Idealismus wurde hier also ein sehr positives Bild des Menschen gezeichnet,
Nachdem 1945 die erste Phase des Schocks der totalen Niederlage und der Orientierungslosigkeit vorüber war, und sich die Furcht vor einer strengen Bestrafung durch die Sieger gelegt hatte, die die Erfahrungen des Bombenkrieges und der "Befreiung" hatten erwarten lassen, wurden Entnazifizierung, Reeducation und Reorientation als massive Eingriffe der Besatzer in die deutsche Gesellschaft zunehmend zurückgewiesen.
Von den Amerikanern brauchten sich die Deutschen, so fand man, keine Kultur beibringen zu lassen
Auch wenn viele die in der Demokratisierungspolitik angebotene politische Kultur als Chance zum Neubeginn verstanden, war gerade die Kritik an der parlamentarischen Demokratie weit verbreitet.
Theodor Eschenburg, ab 1952 Professor für Politikwissenschaft in Tübingen, meinte, die demokratische Herrschaftsform der Bundesrepublik sei ebenso improvisiert wie es die Weimarer Demokratie gewesen sei.....
Selbst Konrad Adenauer begegnete dem Grundgesetz mit Skepsis, weil es den Westdeutschen von Amerikanern und Franzosen aufgezwungen worden sei.
Deutsche Traditionen wurden gegen die Reformvorstellungen der Sieger verteidigt, und zwar so erfolgreich, daß die 1949 gegründete Bundesrepublik in den Augen amerikanischer Beobachter als Konsolidierung einer autoritär-hierarchischen Gesellschaftsordnung erschien.
So scheiterten die westlichen Alliierten mit dem Versuch, das deutsche Sozialversicherungssystem zu reformieren, ebenso im Bereich der Schul- und Bildungsreform in Bayern, wo die amerikanische Militärregierung mit dem Kultusminister Alois Hundhammer aneinandergeriet und nachgeben mußte.
Ebensowenig ließ sich eine Reform des öffentlichen Dienstes durchsetzen. Diese Residuen deutscher Tradition waren bei Gründung der Bundesrepublik noch viel zu mächtig. Eine tatsächliche Verwestlichung setzte erst mit dem Ende der Besatzungsherrschaft ein, als sich ab etwa 1953 Wohlstand breit machte, der eine materielle Modernisierung - als Amerikanisierung - breiterer Bevölkerungsschichten ermöglichte. Ein übriges tat der Konformitätsdruck im Kalten Krieg.
Ein deutlicher gerechtfertigter Antikommunismus verband zu Anfang der fünfziger Jahre nahezu das gesamte politische Spektrum der Bundesrepublik vom rechten Rand der CDU bis in die linken Flügel der SPD und der Gewerkschaften.
Das Bedrohungsgefühl durch den gemeinsamen Gegner half sicherlich, Ressentiments auch gegen >Amerika< und sein Gesellschaftsbild zu übertünchen.
Das Bekenntnis zu explizit nationalsozialistischen Wertvorstellungen war zwar öffentlich tabuisiert, latent aber weiterhin vorhanden. Demoskopische Daten aus den vierziger und frühen fünfziger Jahren legen den Befund nahe:
1948 hielten 57 Prozent der Westdeutschen den Nationalsozialismus für eine im Grunde gute Idee, die nur schlecht ausgeführt worden sei, und drei Jahre später nannten 40 Prozent auf die Frage, wann es ihnen am besten gegangen sei, die Zeit zwischen 1933 und 1938. Als in Niedersachsen die Sozialistische Reichspartei (SRP) gebildet wurde, waren vor allem ehemalige NSDAP-Funktionäre, jüngere Frontoffiziere und einstige HJ-Mitglieder in der Partei zu finden. Die Mitglieder und Anhänger der SRP kamen aus Personengruppen, die so stark von der nationalsozialistischen Ideologie geprägt worden waren, daß sie sich auch nach 1945 davon nicht frei machen konnten. Die Partei, die auf dem Höhepunkt ihrer politischen Erfolge immerhin 40.000 Mitglieder hatte, konnte bei den niedersächsischen Landtagswahlen im Mai 1951 16 Mandate gewinnen. Ihre erklärten Hauptziele, das Deutsche Reich wieder herzustellen und die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu beseitigen, waren für das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1952 Grund genug, die SRP zu verbieten.