Der Anruf von Robert Maxwell beim Geheimdienst
Und dann kam der Anruf von Maxwell, der darauf bestand,
Shamir in einer wichtigen Angelegenheit zu treffen. Shamir bat ihn,
damit zu warten, bis die Madrider Eskapade vorbei war und er
wieder in Jerusalem saß, aber Maxwell war hartnäckig. Er sprach
sogar eine verhüllte Drohung aus: Da jetzt vom Parlament und den
britischen Medien Untersuchungen angestellt würden, könne er,
falls es ihm unmöglich sei, seine finanziellen Angelegenheiten zu
regeln, nicht garantieren, das Treffen mit Krjutschkow geheimzuhalten.
Maxwell bezog sich (und damit besiegelte er sein Schicksal) auf
eine von ihm mitarrangierte Zusammenkunft zwischen der Mossad-
Liaison und dem früheren KGB-Chef Wladimir Krjutschkow,
der zu dem Zeitpunkt wegen seiner Rolle beim August-Putsch im
Untersuchungsgefängnis Nummer vier in Moskau saß. Bei jenem
Treffen, das auf Maxwells Jacht stattfand, die in jugoslawischen
Gewässern vor Anker lag, wurde die Unterstützung des Mossad
zum Sturz Gorbatschows diskutiert. Der Mossad versprach, über
seine politischen Beziehungen sowohl für eine frühzeitige Anerkennung
des neuen Regimes zu sorgen, als auch sonstige logistische
Unterstützung zu geben.
Es war Maxwell gewesen, der geholfen hatte, die Verbindungen
zum jetzt aufgelösten KGB zu knüpfen. Shamir war sich bewußt,
daß es ein verheerender Schlag für Israels Stellung im Westen wäre,
wenn herauskäme, daß sich der Mossad auf irgendeine und sei es
noch so geringfügige Weise an dem Putschversuch zur Beendigung
des Demokratisierungsprozesses in der Sowjetunion beteiligt hätte.
Das würde als Verrat am Westen aufgefaßt werden. Maxwell
benutzte jetzt diese Tatsache als Drohung gegen Shamir, um eine
sofortige Hilfsaktion für sein wankendes Imperium zu erzwingen.
Shamir bat Maxwell, in ein paar Stunden zurückzurufen. Dann
kontaktierte er den Mossad-Chef und verlangte, sich des »Kleinen
Tschechen« ein für allemal zu entledigen.
Der Mossad war auf solch ein Vorhaben nicht vorbereitet.
Shamir erfuhr, daß es mehrere Wochen dauern würde, um einen
Plan aufzustellen, der auf den Gewohnheiten des Mannes basierte,
um dann die Falle zuschnappen lassen zu können. Ein Mossad-
Verbindungsoffizier, der zusammen mit dem Premierminister
(selbst ein Ex-Mossad-Offizier) reiste, schlug vor, die Sache schneller
zu erledigen, indem man Maxwell zu einem Rendezvous einlud,
bei dem der Mossad zuschlagen könnte.
Shamir bat Maxwell, am folgenden Tag nach Spanien zu kommen,
und versprach ihm, daß alles geregelt werde und kein Grund
zur Panik bestehe. Maxwell solle mit seiner Jacht nach Madeira
segeln und dort auf eine Botschaft warten.
Maxwell kam am 31.Oktober 1991 in Gibraltar an, ging an
Bord seiner Jacht »Lady Ghislaine« und segelte nach Madeira, wie
ihm gesagt worden war. Am Freitag, dem 1. November, wurde eine
Sondereinheit des Mossad, die sich wegen der Friedensgespräche
aus Sicherheitsgründen in Spanien aufhielt, damit beauftragt, sich
um Maxwell zu kümmern. Sie flog nach Marokko, wo sie den
Mossad-Chef der dortigen Station traf, der sich bereits um die
notwendige Ausrüstung und sonstige Vorbereitungen gekümmert
hatte.
Zuerst wurde Maxwell gesagt, daß die Begegnung in Madeira
stattfinde und er ausreichend Geld erhalten werde, um die Angelegenheit
bereinigen zu können. Dann wolle man ihm weitere Gelder
überweisen. All das solle unter absoluter Geheimhaltung geschehen,
um seinen Feinden nicht weiteres Material zu liefern, die nichts
lieber hätten, als seine direkte Verbindung zum Mossad nachzuweisen.
Am 2. November erfuhr der Mossad, daß Maxwell seinen Sohn
in England angerufen und mit ihm ein Treffen auf der Insel ausgemacht
hatte. Das warf die Pläne des Mossad über den Haufen, und
Maxwell wurde nun vom Mossad mitgeteilt, das ausgemachte
Treffen sei geplatzt. Statt dessen solle er mit den Geldboten auf
Teneriffa zusammentreffen.
Als er in Santa Cruz auf Teneriffa anlegte, eilte er sofort zu dem
Treffen im Hotel Mency. Als er allein im Hotelrestaurant aß, kam
jemand an seinen Tisch und überreichte ihm einen Zettel: Er solle
am folgenden Morgen in Los Cristos auf der anderen Seite der Insel
sein. Er solle auf seiner Jacht dorthin segeln. Die empfohlene Route
führte um Gran Canaria herum.
Ich erfuhr von alldem in einem Telefongespräch mit Ephraim. Er
hatte keine Ahnung, wie es dem Kidon-Team gelungen war, Maxwell
auf hoher See zu erwischen, während die Jacht mit fünfzehn
Knoten dahinsegelte, aber gerade das Unwahrscheinliche gehörte ja
zur Kidon-Magie. Irgendwann in der Nacht vom 4. auf den 5. November
wurde Shamirs Problem auf den Grund des Atlantiks
versenkt.
Nach einer Autopsie, die mehr Fragen aufwarf, als sie beantwortete,
fand eine zweite Autopsie in Israel unter den wachsamen
Augen des Sicherheitsapparats statt. Maxwell bekam schließlich
ein Begräbnis auf dem Ölberg in Jerusalem, dem Friedhof für die
stolzesten Helden der Nation.
»Er hat mehr für Israel getan, als heute gesagt werden kann«,
erklärte Shamir in seiner Totenrede für seinen Freund und sein
Opfer.
Geheimakte Mossad S. 358