Vielleicht kann man ihn den Hitler des Alten Ägypten nennen.
Sein revolutionäres Programm setzte Echnaton jedenfalls bereits kurz nach seinem Regierungsantritt in Bewegung. Am einschneidendsten war sicher der forcierte Ausbau der „Neuen Sonnentheologie“, die schon sein Vater eingeführt hatte. Während jedoch Amenophis III. pragmatisch genug war, auch die anderen Götter im vielköpfigen ägyptischen Pantheon zu ehren, radikalisierte sein Sohn die Bevorzugung des Sonnengottes Aton zur Ausschließlichkeit – es gab keinen anderen Gott neben ihm (siehe Beitrag „Der Glaube an den Einzigen“). Aton, dargestellt als Sonnenscheibe mit Strahlen, die in Händen enden, war das alleinige göttliche Prinzip, die Wahrheit, der Schöpfer aller Dinge. Wenn Echnaton bei seinem Regierungsantritt tatsächlich noch ein Kind war, ist kaum vorstellbar, dass ein solch fertiges Gedankengebäude von ihm stammte. Jan Assmann, Heidelberger Ägyptologe, intimer Kenner und begnadeter Übersetzer altägyptischer Schriften, will denn auch „ ganz stark vermuten, dass Echnaton einen Beraterstab gehabt hat“. Assmann weiter: „Es muss nicht unbedingt sein, dass jemand, der eine Idee umsetzt, sie auch konzipiert hat.“ Ähnlich äußert sich Reeves in seinem gerade erschienenen aufregenden Buch „Echnaton“. Er geht von einem kindlichen Echnaton aus und sieht eine „ philosophische Kontinuität“ zwischen Vater und Sohn Amenophis, getragen durch den einflussreichen Berater Hapu. „Allerdings war es eine Philosophie“, so Reeves, „die Amenophis IV. ganz von Anfang an in seiner eigenen, unverwechselbaren Art zu interpretieren gedachte.“ Akteure und Zielsetzung sehen der Heidelberger und der Brite ähnlich: Für Reeves war der religiöse Umsturz lediglich Mittel, um die Königsmacht gegenüber der zu mächtig gewordenen Amun-Priesterschaft wieder zu etablieren.