... diese Partei ist am Ende und politisch so unnötig wie ein Kropf !
'Es wird keine Zusammenarbeit mehr geben': Mit diesen harschen Worten beendet Marcus Pretzell, Sprecher des NRW-Landesverbands der Alternative für Deutschland, ein fast zweistündiges Scherbengericht, das ursprünglich mal als Landesparteitag angedacht war. Dann geht er in die Pause. 'Zwanzig Minuten zum Abkühlen', sagt der Moderator.
Es ist das vorläufige Ende einer skurrilen Spurensuche im Bottroper Saalbau, an deren Anfang zur Abwechslung mal kein typischer Richtungsstreit steht - sondern 'meine privaten finanziellen Umstände', wie Pretzell gleich zu Beginn seiner Verteidigungsrede zugibt. Allein, zwei verfeindete Lager gibt es am Ende trotzdem.
Der (Shenzhen: 002631.SZ - Nachrichten) größte Vorwurf: Pretzell soll mehrere Monate lang Steuerschulden nicht beglichen haben. Als das Finanzamt daraufhin bei der Landes-AfD nach pfändbaren Einkünften von Pretzell anfragte, reagierte die Partei nicht, und die Behörde verhängte ein Zwangsgeld.
Als dieses ebenfalls nicht bezahlt wurde, ließ das Finanzamt den betreffenden Betrag auf dem Parteikonto einfrieren - nach Angaben Pretzells insgesamt 1023,50 Euro. Inzwischen hat er die Schuld beglichen.
Doch seinen baldigen Rücktritt verkündet an diesem Samstag nicht der Beschuldigte, sondern dessen Hauptankläger: Hermann Behrendt, Pretzells Stellvertreter und gewissermaßen die Speerspitze des Anti-Pretzell-Lagers im AfD-Landesvorstand.
Misstrauen bestimmt Diskussion
'Wenn das hingenommen wird, kann ich die Verantwortung im Vorstand nicht länger übernehmen', so der Rechtsanwalt, der dem liberal-konservativen Parteiflügel zugerechnet wird. Die Verteilung von hörbarer Zustimmung und Ablehnung, von Buh-Rufen und Applaus lässt indes darauf schließen: Es wird hingenommen.
Geradezu verzweifelt verweist Behrendt in seinem Eingangsplädoyer auf Grundwerte der Partei, zitiert den AfD-Slogan 'Mut zur Wahrheit', zweifelt unbeirrt an der Zuverlässigkeit eines Vorstandsmitglieds, dessen persönliche Unordnung letztlich zu dem ganzen Schlamassel geführt hat - und erntet dafür einzig: Raunen im Saal.
Da hilft es auch nichts, dass der Rechtsanwalt gleich vorwegschickt, dass es ihm nicht um einen Richtungsstreit ginge: Das Misstrauen zwischen dem national-konservativen und dem wirtschaftsliberalen Flügel der Partei bestimmt selbst die Diskussion über vermeintlich unbedeutende Formalia.
Auf der einen Seite steht die Mehrheit des Landesvorstands um Behrendt mit den anderen Vorständen Reiner Rohlje, Manfred Pühringer, Hans Friedrich Rosendahl und Beate Forner. Die wollen Pretzells Lavieren um die Steueraffäre nicht länger hinnehmen: Er habe das Einfrieren des Kontos billigend in Kauf genommen, um sich die Peinlichkeit zu ersparen, die anderen Vorstandsmitglieder über seine Steuerprobleme zu informieren, so Behrendt. Diese hätten dem Finanzamt schon viel früher mitteilen können, dass Pretzell von der AfD kein Gehalt erhalte. Damit wäre zumindest die Partei aus dem Schneider gewesen.
Auf der anderen Seite steht die Mehrheit der Parteibasis nahezu geschlossen zu Pretzell - nicht zuletzt, weil der sich in der Vergangenheit als außerordentlicher Kritiker der Parteispitze um den Vorsitzenden Bernd Lucke und dessen erst kürzlich zurückgetretenen Vize Hans-Olaf Henkel erwiesen hat. Deren Führungsstil wurde in Bottrop vor allem von Mitgliedern der Kreisverbände kritisiert - als autoritär und undemokratisch.
So verglich ein AfDler aus Arnsberg den von Lucke initiierten Mitgliederentscheid, der Mitgliedern den Kontakt zu 'Organisationen im Dunstkreis des Rechtsradikalismus' verbieten soll, mit dem 'Reichsermächtigungsgesetz': Lucke wolle so verhindern, dass sich AfD-Mitglieder mit Pegida-Anhängern und anderen Islamkritikern austauschten.
'1950 Euro plus Kosten für den Beamer'
Erst im Oktober gab Pretzell seinen Beisitz im Bundesvorstand der AfD auf. Die 'Welt' berichtete damals, Grund dafür seien unterschiedliche Vorstellungen 'von Basisdemokratie und der Machtverteilung innerhalb der Partei' gewesen.
An der Machtverteilung im NRW-Landesverband blieb indes kein Zweifel: Rechtfertigen musste sich heute vor allem der liberale Behrendt - dafür, den Steuervorfall nicht unter den Teppich gekehrt zu haben. Dafür, öffentlich auf Pretzells privaten Problemen herumzuhacken. Und schlussendlich dafür, nicht sofort zurücktreten zu wollen - sondern gemeinsam mit den anderen Pretzell-kritischen Vorstandsmitgliedern zu warten, bis beim nächsten Parteitag regulär Nachfolger gewählt werden können.
Wie zerstritten die Partei ist, deutete sich schon im Vorfeld der Veranstaltung an. Denn eigentlich sollten heute die NRW-Delegierten für den AfD-Bundesparteitag im Juli (Shenzhen: 002342.SZ - Nachrichten) gewählt werden. Dass aus dem geplanten Landesparteitag dann doch nur eine 'Informationsveranstaltung' wurde, lag wieder an Differenzen der beiden Lager.
Weil ihm die Redner nicht passten, soll Reiner Rohlje beim Landesschiedsgericht der Partei Einspruch wegen nicht eingehaltener Einladungsfristen eingelegt haben.
So jedenfalls lautet ein weiterer Vorwurf des Pretzell-Lagers gegen den Behrendt und seine Mitstreiter. Rohlje selbst war zu der Veranstaltung nicht erschienen.
Und so fragte sich manch ein Parteimitglied, wie viel der ganze Spaß wohl gekostet habe - immerhin werde ja nun trotz Info-Veranstaltung noch ein Parteitag abgehalten, der ebenfalls wieder bezahlt werden müsse.
Die Antwort darauf gab der bei der NRW-AfD für Wahlkampf und Parteiveranstaltungen zuständige Andreas Keith, der ebenfalls im Landesvorstand, allerdings auf Seiten Pretzells sitzt: '1950 Euro plus Kosten für den Beamer'. Da wäre es wohl einfacher gewesen, das Zwangsgeld einfach zu bezahlen. Günstiger in jedem Fall.